Im Gegensatz zu diesen Holzschleusen war die Endschleuse am Einfluß der Neuen Elde in die alte Elde bei Dömitz ein Steinbau. Die Karte des herzoglichen Geometers Evert Piloot aus dem Jahre 1612
gibt ein anschauliches Bild dieser damals für Mecklenburg einzigartigen Anlage. Die Karte deutet im oberen rechten Teil den Grundriß der Festung an und zeigt im linken Teil die Torstraße mit der Torbrücke. Unterhalb der alten Elde,
später auch als dowe Elbe bezeichnet, sehen wir die neue Elde mit der Steinschleuse und der Inschrift:" Hyr compt der Nye Elde durch dissen steinen Släysz in den olden Elde."
Die Steinschleuse
ist uns, wenn auch 1722 und 1823 renoviert, in ihren alten Ausmaßen erhalten. Der Neue Graben, der von hier an der sogenannten Promenade und dem Mühlendeich entlang in den heutigen Eldekanal führt, ist in seinem Verlauf noch
deutlich erkennbar. Um die Steinschleuse gegen Überfälle zu schützen, wurde sie mit einer Schanze umgeben, die z.B. die Karte von der Stadt und Zitadelle Dömitz vom Jahre 1719 zeigt. Noch heute ist das Gelände westlich der
Steinschleuse im Volksmunde als "Trotzburg" bekannt.
Im Februar 1572 war die Neue Elde fertiggestellt und am 11. August legte das erste Schiff bei der alten Brücke in Dömitz an. Im Juni des nächsten Jahres
stellte der Herzog Johann Albrecht, der mit zwei Schiffen von Schwerin bis Dömitz fuhr, verschiedene Mängel der neuen Fahrt fest und ordnete an, daß die Schleusen zwischen Eldena und Dömitz auf 30,5 Meter Länge und 13 Meter Breite
erweitert werden müßten. Man hielt das für ausreichend, da das größte Schiff, das des herzoglichen Rentmeisters Gabriel Brügmann, eine Länge von 20 Meter hatte. Als herzoglicher Verwalter der neuen Elde wurde Jost Spangenberg
eingesetzt. Nachdem in den folgenden Jahren Fahrt und Schleuse ausgebessert waren, konnten die Herzöge am 15. März 1575 den Städten Magdeburg und Hamburg die Mitteilung machen, daß die neue Fahrt flußaufwärts wie -abwärts schiffbar
sei.
Nach einer zeitgenössischen Schätzung brauchte ein leeres Schiff zur Fahrt von Schwerin nach Dömitz zwei Tage, von Dömitz nach Schwerin vier Tage, während ein beladenes Schiff die Strecke von Schwerin nach Dömitz
in vier Tagen, von Dömitz nach Schwerin in sechs Tagen zurücklegen konnte. Zum Vergleich sei angegeben, daß man für die Fahrt von Dömitz nach Hamburg drei Tage rechnete, während ein Frachtwagen von Lüneburg bis Wismar mehr als acht
Tage brauchte, wobei die Kaufleute gezwungen waren, an den unergründlichen Stellen der denkbar schlechten Wege sechs bis acht Pferde vor den Wagen zu spannen.
Die Fahrt auf dem neuen Graben war zugelassen für Schiffe
mit einer Gütermenge von 12 Last oder 480 Zentnern. Wenn auch die Lademenge heute gering erscheint, so brachte der Wasserweg doch gegenüber dem Verkehr mit Frachtwagen besonders bei schweren Gütern wie Kupfer, Eisen, Pulver, Teer,
Mühlsteinen, Schiffsmasten und Getreide eine bedeutende Erleichterung.
Konnte auch der vollständige Ausbau des Ostsee-Elbe-Kanals bis heute nicht verwirklicht werden, so ist doch der Anschluß unserer Heimatstadt an das
mecklenburgische Wasserstraßennetz für ihre Entwicklung in den folgenden Jahrhunderten von ausschlaggebender Bedeutung gewesen.
Für die zeitgenössische Würdigung dieses technischen Werkes spricht die Tatsache, daß es
sich fünfundachtzig Jahre nach der Erbauung am 14. August 1657 der schwedische Reichsrat und Friedensgesandte Drenstierna bei seiner Durchreise durch Dömitz nicht nehmen ließ, die Steinschleuse einer eingehenden Besichtigung zu
unterziehen.
Noch heute haben wir in dem "Neuen Graben" und der Steinschleuse das älteste und bedeutendste national-ökonomische Denkmal unserer Stadt zu sehen.
von Ewald Jörn, Dömitz
700 Jahre Festung Dömitz, Sonderdruck der "Mecklenburgischen Monatshefte", Juni 1935
Carl Dinstorffs Verlag / Rostock