Den Herzögen Johann Albrecht I. und Ulrich, die seit 1555 zu Schwerin und Güstrow regierten, gebührt das Verdienst, den seit Jahrzehnten geplanten Bau einer Wasserverbindung Dömitz-Wismar tatkräftig in Angriff genommen zu haben. Bei den geringen Geldmitteln, die den mecklenburgischen Herzögen zur Verfügung standen, war dies ein phantastischer Plan, an dem auch ihre Vorgänger tatsächlich gescheitert waren. Die größten Schwierigkeiten legte aber nicht die Natur der Ausführung dieses Plans in den Weg, sondern der nachbarliche brandenburgische Kurfürst, durch dessen Gebiet die Elde bei Gorlosen und Eldenburg fließt. Trotz der jahrzehntelangen Vorstellungen der mecklenburgischen Herzöge und der Städte Magdeburg und Lüneburg, das durch seinen Salzhandel besonders an der neuen Verbindung interessiert war, waren Kurfürsten von Brandenburg nicht zu bewegen gewesen, den Schiffsverkehr auf dem brandenburgischen Teil der Elde zu gestatten. Da diesen aber sehr vorteilhafte Zugeständnisse am aufkommenden Zoll gemacht wurden, ohne daß sie darauf eingingen, kann nur nachbarliche Mißgunst als Beweggrund der hartnäckigen Ablehnung angesehen werden.

Der Ostsee-Elde-Kanal

Da entschlossen sich am 13. Mai 1567 die beiden mecklenburgischen Herzöge, die Ströme auf eigene Kosten in Stand setzen und Schleusen bauen zu lassen. Um den brandenburgischen Teil der Elde zu umgehen, entschloß man sich, den von dem herzoglichen Mathematiker Tilemann Stella ausgearbeiteten Plan einer direkten Verbindung zwischen Eldena und Dömitz anzunehmen.

Die prächtige Karte Stellas aus dem Jahre 1576 zeigt den beabsichtigten Plan. Die gradlinig von Eldena durch das "Brantlewe" nach Dömitz gezogene "Neue Elde" bleibt auf mecklenburgischem Gebiete und verbinden die Elde mit der Elbe, die ihrerseits durch die Stör die Verbindung mit dem in allen Teilen schiffbaren "Schwerinischen See" herstellt. Vom Nordzipfel des Schweriner Sees sollte dann ein weiterer Kanal bei Wismar in die Ostsee münden.

Die Herzöge gaben den Auftrag, mit den Ausschachtungsarbeiten zwischen Dömitz und Eldena sofort zu beginnen, und noch im Mai 1568 konnte der Dömitzer Wallmeister Jost Spangenberg mit einhundertvier Mann den Bau des "Neuen Grabens" in Angriff nehmen. Bei einer Länge von über zwei Meilen sollte der Kanal eine Breite von 9,2-13,8 Meter und eine Tiefe von 1,2-1,7 Meter erhalten.

Die Aufbringung der nicht unerheblichen Kosten machte den Herzögen jedoch ernste Schwierigkeiten. Nachdem die Versuche, in Hamburg, Magdeburg und anderen Städten Geld zu leihen, fehlgeschlagen waren, blieb den Herzögen nur noch der Weg, eine neue Steuer im ganzen Lande zu erheben. Lediglich der Ritterschaft scheint es gelungen zu sein, sich auch hier der geldlichen Beihilfe zu entziehen.

Der Ostsee-Elde-Kanal. Ausschnitt aus der Karte
des Tilemann Stella aus dem Jahre 1576

Da das Werk sowohl von Dömitz als auch von Eldena aus in Angriff genommen wurde, hatten sich die Gräben schon am 11. Juli 1570 bis auf 200 Ruthen = 920 Meter genähert, als plötzlich der brandenburgische Kurfürst Johann Georg die Arbeiten an der Neuen Elde mit Gewalt zu verhindern suchte, indem er etliche Adlige, Knechte und Bauern ins Mecklenburgische einfallen ließ. Diese rissen den Graben ein, zerstörten vier Schleusen und bedrohten die herzoglichen Arbeiter mit Aufhängen. Erst der Vermittlung des Kurfürsten von Sachsen-Brandenburg gelang es, die Zwistigkeiten zu schlichten. Der Bau des Grabens war nun nicht mehr aufzuhalten. Die Schäden wurden schnell behoben und verursachten keine größeren Kosten, da die sechs Schleusen zwischen Eldena und Dömitz, die einen Wasserfall von 12,6 Meter zu regulieren hatten, nur aus Holz erbaut waren.

Die neue Elde mit der Steinschleuse in Dömitz

Die neue Elde mit der Steinschleuse bei Dömitz. Zeichnung des Architekten Evert Piloot aus dem Jahre 1612

Im Gegensatz zu diesen Holzschleusen war die Endschleuse am Einfluß der Neuen Elde in die alte Elde bei Dömitz ein Steinbau. Die Karte des herzoglichen Geometers Evert Piloot aus dem Jahre 1612 gibt ein anschauliches Bild dieser damals für Mecklenburg einzigartigen Anlage. Die Karte deutet im oberen rechten Teil den Grundriß der Festung an und zeigt im linken Teil die Torstraße mit der Torbrücke. Unterhalb der alten Elde, später auch als dowe Elbe bezeichnet, sehen wir die neue Elde mit der Steinschleuse und der Inschrift:

" Hyr compt der Nye Elde durch dissen steinen Släysz in den olden Elde."

Die Steinschleuse ist uns, wenn auch 1722 und 1823 renoviert, in ihren alten Ausmaßen erhalten. Der Neue Graben, der von hier an der sogenannten Promenade und dem Mühlendeich entlang in den heutigen Eldekanal führt, ist in seinem Verlauf noch deutlich erkennbar. Um die Steinschleuse gegen Überfälle zu schützen, wurde sie mit einer Schanze umgeben, die z.B. die Karte von der Stadt und Zitadelle Dömitz vom Jahre 1719 zeigt. Noch heute ist das Gelände westlich der Steinschleuse im Volksmunde als "Trotzburg" bekannt.

Im Februar 1572 war die Neue Elde fertiggestellt und am 11. August legte das erste Schiff bei der alten Brücke in Dömitz an. Im Juni des nächsten Jahres stellte der Herzog Johann Albrecht, der mit zwei Schiffen von Schwerin bis Dömitz fuhr, verschiedene Mängel der neuen Fahrt fest und ordnete an, daß die Schleusen zwischen Eldena und Dömitz auf 30,5 Meter Länge und 13 Meter Breite erweitert werden müßten. Man hielt das für ausreichend, da das größte Schiff, das des herzoglichen Rentmeisters Gabriel Brügmann, eine Länge von 20 Meter hatte. Als herzoglicher Verwalter der neuen Elde wurde Jost Spangenberg eingesetzt. Nachdem in den folgenden Jahren Fahrt und Schleuse ausgebessert waren, konnten die Herzöge am 15. März 1575 den Städten Magdeburg und Hamburg die Mitteilung machen, daß die neue Fahrt flußaufwärts wie -abwärts schiffbar sei.

Nach einer zeitgenössischen Schätzung brauchte ein leeres Schiff zur Fahrt von Schwerin nach Dömitz zwei Tage, von Dömitz nach Schwerin vier Tage, während ein beladenes Schiff die Strecke von Schwerin nach Dömitz in vier Tagen, von Dömitz nach Schwerin in sechs Tagen zurücklegen konnte. Zum Vergleich sei angegeben, daß man für die Fahrt von Dömitz nach Hamburg drei Tage rechnete, während ein Frachtwagen von Lüneburg bis Wismar mehr als acht Tage brauchte, wobei die Kaufleute gezwungen waren, an den unergründlichen Stellen der denkbar schlechten Wege sechs bis acht Pferde vor den Wagen zu spannen.

Die Fahrt auf dem neuen Graben war zugelassen für Schiffe mit einer Gütermenge von 12 Last oder 480 Zentnern. Wenn auch die Lademenge heute gering erscheint, so brachte der Wasserweg doch gegenüber dem Verkehr mit Frachtwagen besonders bei schweren Gütern wie Kupfer, Eisen, Pulver, Teer, Mühlsteinen, Schiffsmasten und Getreide eine bedeutende Erleichterung.

Konnte auch der vollständige Ausbau des Ostsee-Elbe-Kanals bis heute nicht verwirklicht werden, so ist doch der Anschluß unserer Heimatstadt an das mecklenburgische Wasserstraßennetz für ihre Entwicklung in den folgenden Jahrhunderten von ausschlaggebender Bedeutung gewesen.

Für die zeitgenössische Würdigung dieses technischen Werkes spricht die Tatsache, daß es sich fünfundachtzig Jahre nach der Erbauung am 14. August 1657 der schwedische Reichsrat und Friedensgesandte Drenstierna bei seiner Durchreise durch Dömitz nicht nehmen ließ, die Steinschleuse einer eingehenden Besichtigung zu unterziehen.

Noch heute haben wir in dem "Neuen Graben" und der Steinschleuse das älteste und bedeutendste national-ökonomische Denkmal unserer Stadt zu sehen.

von Ewald Jörn, Dömitz
700 Jahre Festung Dömitz, Sonderdruck der "Mecklenburgischen Monatshefte", Juni 1935
Carl Dinstorffs Verlag / Rostock